Die 6 wichtigsten Fragen für Zahnärztinnen und Zahnärzte
In der Corona-Krise stehen viele Niedergelassene vor weitreichenden Fragestellungen. Soll ich Kurzarbeit anordnen? Wenn ja, wie? Und wie sieht es mit Entschädigungen aus? In Krisenzeiten kommt es auf den Rechtsstaat an. Um in einer solchen Situation das Richtige zu tun und sich rechtlich nicht angreifbar zu machen, gilt es, die juristischen Hintergründe aller Krisenmaßnahmen zu bedenken. Die folgen 6 FAQs sollen Zahnärztinnen und Zahnärzten dabei helfen, in der Krise die richtigen Entscheidungen zu treffen.
1. Bekomme ich Entschädigung bei Quarantäne?
Erkrankt eine Ihrer Arbeitnehmerinnen, so erhält diese die „normale“ Entgeltfortzahlung. Wird sie vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt, so gibt es eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz – und zwar für die Arbeitgeber zu 100%. Ähnliches gilt für Sie als Arbeitgeber: Ordnet das Amt eine Quarantäne oder ein Berufsverbot an, so gibt es eine Entschädigung, die sich am letzten Einkommenssteuerbescheid orientiert. Wichtig: Gehen Sie nicht freiwillig in die Selbstquarantäne, denn ohne behördliche Anordnung gibt es keine Entschädigung! Auch wäre dies eine Verletzung des Versorgungsauftrags als Vertragszahnarzt.
2. Bekomme ich Entschädigung bei Praxisschließung?
Gerade in diesem Bereich gibt es aktuell viele Irrtümer. Festzuhalten ist, dass weder Kammer noch KZV Praxisschließungen anordnen können – dies kann in der Corona-Situation nur das Gesundheitsamt. Auch ist es nicht richtig, wenn suggeriert wird, dass im Falle einer behördlichen Schließung von Praxen (ohne, dass es vor Ort in der Belegschaft Covid-19-Fälle gab) pauschal eine Entschädigung fließen würde – der maßgebliche Paragraph 56 des Infektionsschutzgesetzes sieht dies von seinem Regelungsbereich her nicht vor. Dennoch kann in einem solchen Fall Druck auf die Behörden ausgeübt werden – indem man, anwaltlich begleitet, einen Entschädigungsantrag stellt.
3. Können Arbeitnehmer zur Kinderbetreuung von der Arbeit fernbleiben und Fortzahlung verlangen?
Die aktuell überwiegende Meinung im Arbeitsrecht lehnt dies ab, da die maßgeblichen Normen im Gesetz nur für subjektive Leistungshindernisse ausgestaltet sind, also beispielsweise die Krankheit eines Kindes betreffen. Demnach wären auch die 10 „Kinderkrankentage“ jetzt nicht heranzuziehen. Aber: Eine sinnvolle Marschroute dürfte sein, hier durch flexible Arbeitszeitmodelle oder Überstundenkonten für eine einvernehmliche Lösung zu sorgen, da es sich um eine Sondersituation für alle Beteiligten handelt. Das alles gilt unter dem Vorbehalt, dass der Praxisinhaber nicht ohnehin zur Kurzarbeitsanordnung greifen will oder muss.
4. Kann ich Kurzarbeit anordnen – und wenn ja, wie?
Als Grundvoraussetzung dafür muss eine arbeitsrechtliche Grundlage bestehen, also beispielsweise eine Regelung im Arbeitsvertrag. Fehlt diese, ist die Zustimmung der Arbeitnehmer erforderlich. Dazu ist der Abschluss einer rechtssicheren Kurzarbeitsvereinbarung nötig. Zudem gibt es behördliche Voraussetzungen, vor allem im Hinblick auf die Zahlung von Kurzarbeitergeld: Dies muss das Arbeitsamt bewilligen. Die Praxis kann, wenn die Grundvoraussetzungen vorliegen, die Kurzarbeit sodann schriftlich mit einer kurzen Frist anordnen. Sie fungiert dann als Zahlstelle für das Kurzarbeitergeld gegenüber den Arbeitnehmern.
Das Thema Kurzarbeit ist weitreichend und komplex, da es auch das Verhältnis zu Urlaub, Kündigungen, Elterngeld und vielen anderen Bereichen umfasst. Hier gilt es, sich kompetent beraten zu lassen und den vielen irrigen Berichten im Netz keinen Glauben zu schenken.
5. Zahlt meine Praxisausfallversicherung – und kann ich eine solche noch abschließen?
Es gibt immer noch einige wenige Versicherer, die eine Praxisausfallversicherung anbieten. Hier kann es sich lohnen, schnell zuzuschlagen, da die Angebote täglich schwinden. Der Versicherungsfall ist hier die Praxisschließung infolge behördlicher Verfügung oder Quarantäneanordnung, wobei etwaige Entschädigungsleistungen des Staates auf die Versicherungsleistung angerechnet werden sollen. Achtung: Bei etwaiger mündlicher / telefonischer Schließungsverfügung des Amtes unbedingt (!) unverzüglich eine schriftliche Begründung verlangen, um insbesondere gegenüber dem Versicherer nachweisen zu können, dass es sich um einen behördlichen Akt handelt und nicht bloß um die Empfehlung irgendeines Sachbearbeiters. Eine saubere Dokumentation der Umstände ist auch hier wichtig.
6. Arbeitsschutz und Versorgungspflicht
Es ist, auch vor dem Hintergrund des vertragszahnärztlichen Versorgungsauftrags, aus Gründen des Selbst- und Arbeitsschutzes zulässig, nur noch zahnmedizinische Notfälle beziehungsweise Schmerzpatienten zu behandeln. Elektive Behandlungen sind zu verschieben. KZBV und BZÄK stehen nach eigenen Bekundungen in engem Kontakt mit dem BMG, um die momentan am Markt nur schwer verfügbaren Schutzgegenstände wie Mund-Nasen-Schutze, FFP2-Masken, Desinfektionsmittel etc. für die Zahnärzte zu beschaffen. Eine Verteilung soll nach Bereitstellung über die regionalen KZVen erfolgen. Wir empfehlen daher: Rufen Sie dort an, machen Sie Druck. Wenn Sie über keine ausreichende Schutzausrüstung für sich und Ihre Mitarbeiter verfügen, können Sie die Praxis vorübergehend schließen, was die KZVen akzeptieren (so jedenfalls die KZVWL, andere KZVen werden sich dem nicht verschließen können).
Dr. Tobias Witte
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